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  suchen über eine Nutztierstrategie, die kein reiner Massenmarkt ist. Die Initia- tive Tierwohl hat gezeigt, wie es geht. Sie ist ein Einstieg in eine zukunfts- und tierwohlorientierte Tierhaltung. Sie weiterzuentwickeln, kostet viel, viel Geld. Wir sprechen dabei nicht von Millionen, wir sprechen dabei von Mil- liarden. Und wir dürfen nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel einbeziehen, sondern müssen alle Distributionswege berücksichtigen. Sonst funktioniert
das nicht.
Glauben Sie, dass die Vorschläge der von der Bundesregierung berufenen Zu- kunftskommission Kompetenznetzwerk u.a. mit einer Fleischabgabe umgesetzt werden?
Die Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch. Dass darüber diskutiert werden muss, ist doch ganz klar. Ich bin mit Jo- chen Borchert, dem Vorsitzenden der Kommission, in gutem Kontakt, aber ich glaube, wir sind noch nicht durch mit dem Thema. Es muss gelingen, den Marktpreis plus x zu realisieren, wenn der Bauer auf mehr Tierwohl umstellt. 40 Cent pro Kilo bzw. 40 Euro pro Schwein ist eine machbare Größe, die der Markt hergeben sollte. Dafür ist es aber notwendig, dass wir in der Breite eine andere Bezahlung bekommen und nicht nur auf die Edelteile schauen.
Woher soll das Geld kommen?
Das kann nur mit einem System wie der ITW funktionieren. Außerdem brau-
ben. Nur so werden die Bauern wieder investieren, weil sie dann Sicherheit für ihre Produktionskapazitäten haben.
Und wie wollen Sie das organisieren?
Die Politik muss den Weg weisen und der Staat die Rahmenbedingungen für ein Branchenmodell schaffen. Die Bun- desregierung muss nun Farbe beken- nen. Wenn nicht, müssen wir als Bran- che unseren Forderungen Nachdruck verleihen. Dazu braucht es eine ge- meinsame Kommunikationsstrategie, die dann auch kraftvoll umgesetzt wird. Ähnlich wie wir das mit der CMA schon hatten.
chen wir einen Gesellschaftsvertrag für eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft. Die Politik ist gefordert und muss für das Umsteuern nun eine verbindliche Finanzierung gewährleisten. Der zu- sätzliche Betrag, ob man es nun Abga- be oder Verbrauchssteuer nennt, muss in einen Topf. Das geht nur über den Point of Sale.
Wieso am Point of Sale?
Das wäre das fairste System. Wir brau- chen unbedingt einen Weg, der so marktkonform wie nur eben möglich ist. Die Tierhalter haben die Nase voll von der Alimentierung durch den Staat. Jede Bedingung, jedes Kriterium für mehr Tierwohl muss ein Preisschild ha-
Damit hätten Sie dann ein System ins- talliert, das allerdings ausschließlich für den Heimatmarkt bestimmt wäre. Wie wollen Sie die Produktion für die inter- nationalen Märkte da herauslösen? Indem sich die Branche allgemein zu einem Mehr an Tierwohl hin entwi- ckelt, steigt natürlich der allgemeine Standard. Durch eine Abgabe am Point of Sale wird der Export nicht belastet. Im Übrigen steht „Made in Germany“ für Qualität.
Welche Dinge würden Sie außerdem un- bedingt geregelt wissen wollen?
Wir müssen uns auf Leitkriterien ver- ständigen und die Zielkonflikte Ökono- mie und Ökologie auflösen. Dafür be-
darf es ehrlicher Diskussionen, die eine Anpassung von Bau-, Um- welt- und Emissionsrecht beinhal- ten. Dazu gehört natürlich auch die Abwägung zwischen Tierwohl und Emissionen bei der Forderung nach Außenbereichen im Stall- bau. Wir müssen ehrlich sein: Das wird zu höheren Belastungen der Luft führen.
Wie schnell gibt es eine Verständi- gung für einen neuen Weg in der Tierhaltung?
Wir sind an einem Scheideweg. Wenn wir das Thema jetzt nicht lösen, dann wird es in Deutschland auf Dauer keine Nutztierhaltung mehr geben, die etwas mit Wirt- schaft zu tun hat.
Das Interview führten Dr. Heinz Schweer und Karl-Heinz Steinkühler
  ProAgrar Ausgabe 47 Süd | März 2020
Fotos: Oliver Krato













































































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