Page 29 - Sparbau Magazin
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                                OTTO MUELLERS „DREI BADENDE IM TEICH“ IM MUSEUM OSTWALL IM DORTMUNDER U
Von Dr. Nicole Grothe, Leitung der Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U
Wussten Sie’s?
Uns allen in Dortmund „gehören“ 7.000 Kunstwerke, denn die Stadt Dortmund verfügt über eine über die Jahrzehnte gewachsene Sammlung, von der nur ein kleiner Teil in den Museen gleichzeitig präsentiert wer- den kann. Oft geht es bei den Wer- ken auch um Themen wie „Heimat“ oder „Zuhause“. In jedem Sparbau Magazin stellen wir Ihnen in Zusam-
Mmenarbeit mit dem Museum Ostwall im U eine solche Arbeit vor.
al wieder draußen einen entspannten Nachmittag mit Freundinnen und Freunden
verbringen – wie oft haben wir uns das während der Corona-Pandemie gewünscht! Die einen sind zwischen Arbeitsplatz und Zuhause hin und her gependelt, die anderen haben
im Home-Office parallel zur Arbeit ihre Kinder unterrichtet. Die meisten unserer Freundinnen, Freunde und Verwandten haben wir nur am Tele- fon gesprochen oder in Videochats gesehen. Den Winter über waren wir alle viel zu viel Zuhause und haben uns dann umso mehr gefreut, als durch den Frühling endlich wieder ein paar sichere Kontakte im Freien möglich waren! Geradezu paradie- sisch erscheint da die Szene, die Otto Mueller 1912 unter dem Titel „Drei Badende im Teich“ festgehalten hat: Drei Frauen baden nackt in einem kleinen See. Ihre Körper sind mit nur wenigen Strichen umrissen und wir- ken fast wie ein Teil der Landschaft.
Im Gegensatz zu seinem Kollegen Ernst Ludwig Kirchner, der in seinen Berlin-Bildern wimmelnde Straßen-
szenen mit modern gekleideten Stadtmenschen festhielt, konnte Otto Mueller dem Großstadtleben nur wenig abgewinnen. In seinen Bildern zeigt er oft den Menschen im Ein- klang mit der Natur; fast immer sind diese Menschen (meist Frauen) nackt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als dieses Bild entstand, fand die Frei- körperkultur viele Anhängerinnen und Anhänger: Lebensreformerische Bewegungen traten dafür ein, den nackten Körper als etwas Natürliches zu betrachten, dessen man sich nicht schämen müsse – was das konserva- tive Bürgertum dazu veranlasste, den um sich greifenden „Sittenverfall“ zu beklagen. Vor allem in verschiede- nen Jugendbewegungen wurde der sogenannte „Naturismus“ praktiziert, und man traf sich regelmäßig zum Nacktbaden. Für die einen drückten sich im Nacktsein die Gleichheit aller Menschen und ihre Verbundenheit zur Natur aus. Andere, später ins- besondere die Nationalsozialisten, verknüpften das römische Ideal des gestählten, muskulösen (nackten) Körpers mit einem rassistischen Weltbild, in der nur der „gesunde“ Körper zählte und alles vermeintlich „kranke“ ausgemerzt werden sollte. Otto Muellers „Badende“ sind hier- von weit entfernt. Mueller lässt sie mit der Landschaft verschwimmen und zeigt uns, wie schön es ist, eins mit der Natur zu sein – notfalls mit Abstand zu anderen, aber immerhin ohne Maske.
Otto Mueller, 1874 bis 1930, gilt
als einer der wichtigsten Maler des Deutschen Expressionismus und war Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“. Seine Werke zeigen häufig Menschen in freier Natur; in den 1920er Jahren malt er oft das Leben der Roma in
Süd- und Osteuropa, deren Lebensstil er als einfach und naturverbunden ansah. Auch afrikanische Plastiken und Masken, die damals in Kolo- nialschauen in Deutschland
zu sehen waren und von den Brücke-Künstlern sehr ver- ehrt wurden, inspirierten seine Bilder. Sein Gemälde „Drei Badende im Teich“ ist in der ak- tuellen Sammlungspräsentation "Body & Soul. Denken, Fühlen, Zähneputzen" zu sehen.
Das Museum Ostwall ist
das städtische Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in der 4. und 5. Etage des Dortmunder U. Seine Sammlung umfasst u.a. Werke vom Expressionismus über die Fluxus-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre bis hin zur Gegenwart. Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen unter
www.dortmunder-u.de
   INNENSTADT-WEST
Museum Ostwall im Dortmunder U Leonie-Reygers-Terrasse 2
44137 Dortmund
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