ProAgrar Ausgabe 49 Nord
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EIN MAGAZIN VON VION FÜR DIE DEUTSCHE LANDWIRTSCHAFT
AUSGABE 49 NORD | SEPTEMBER 2020
STANDPUNKT
Völlig überzogen
Man muss dieser Tage nicht unbe- dingt aufmerksam die Medien ver- folgen, um den Eindruck zu gewin- nen, die Fleischindustrie und ihre Beschäftigten seien der Teufel in Menschengestalt. Durch das Fehl- verhalten einzelner Unternehmen wird eine ganze Branche stigmati- siert. Mitarbeiter und ihre Familien müssen sich in ihrer Freizeit bzw.
in den Schulen für die Tätigkeit in einem  eischverarbeitenden Betrieb rechtfertigen.
Wenn die Politik Werkverträge ver- bieten will, kann man das mit ei- nem einzigen Satz erledigen. Wir unterstützen dieses Vorhaben aus- drücklich. Die geplanten Gesetzes- änderungen für ein Arbeitsschutz- kontrollgesetz halten wir in einzelnen Passagen aber für über- zogen. Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen sowie das Verbot von Leiharbeit und Lohnschlach- tung stehen in keinem Zusammen- hang mit den ursprünglichen Zielen des Gesetzes.
Vion hat in per- sönlichen Briefen an die Bundes- tagsabgeordne- ten in den Wahl- kreisen unserer Betriebsstandorte sowie an die zu- ständigen Minis-
ter in Berlin und in den Ländern appelliert, die Regelungen des Ge- setzesentwurfs zu hinterfragen und eine am eigentlichen Ziel des Ar- beitsschutzes orientierte Lösung zu unterstützen. Auch die Landwirt- schaft ist von den vorgesehenen Änderungen des Gesetzesentwurfs betroffen. Sie befürchtet eine Aus- dünnung der Schlachtstellen und damit eine Verschärfung des Struk- turwandels mit einer Verlagerung der Produktion ins Ausland.
Dr. Heinz Schweer
Direktor Landwirtschaft (Deutschland)
Pragmatiker und Ideen- geber: Ex-Landwirtschafts- minister Jochen Borchert, 80, aus Bochum-Watten- scheid hat für die Bundes- regierung zusammen mit einer Expertenkommission ein neues Nutztierkonzept für die nächsten 20 Jahre entwickelt.
BORCHERT WILL UMKEHR
NUTZTIERHALTUNG. Ex-Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert will bei der Umkehr in der Nutztierhaltung das  nanzielle Überleben von Landwirten durch lang- fristige Verträge sicherstellen. Borchert hat zusammen mit seinem Kompetenznetzwerk für die Bundesregierung ein Konzept zur gesellschaftlich akzeptierten Tierhaltung
Ierarbeitet.
m Interview mit ProAgrar
sagte Borchert: „Der Staat
hat die P icht zur Finanzie- rung. Die Einführung einer sogenannten Tierwohlabga- be, einer Verbrauchssteuer, ist unerlässlich.“ Die Vorschläge seiner Kommission sehen vor, dass Landwirte für die Um- stellung in der Tierhaltung und den notwendigen Um- bau der Ställe Förderverträge über 20 Jahre abschließen.
Nach Berechnungen der Kom- mission würde sich Fleisch um 40 Cent pro Kilogramm ver- teuern, insgesamt würden so in der Endausbaustufe der Umstellung der Nutztierhal-
tung etwa 3,2 Milliarden Euro zusammenkommen.
Ob sein Konzept mit dem schon bestehenden Programm der Initiative Tierwohl (ITW) zusammengeführt werden kann, will Borchert noch nicht bestätigen. „Ich bin da in Ge- sprächen“, formuliert der 80-jährige Experte und Bera- ter von Bundeslandwirtschafts- ministerin Julia Klöckner zurückhaltend. „Wir haben weitaus höhere Kriterien und beginnen gleich mit 20 Prozent mehr Platz in der Schweinehal- tung.“ Dennoch glaubt er, dass sich die Stufe 1 der ITW leicht auf die Empfehlungen der Ein-
PORTRÄT S. 6 + 7
Wie Helmut Dammann-Tanke seine beiden Jobs als Politiker und Landwirt koordiniert und sich ein grünes Pro l gibt
REPORT S. 4 + 5
Wie HR-Direktor Roger Legath
bei Vion auf Werkverträge verzichtet und die Mitarbeiterstruktur verändert
stiegsstufe seiner Kommission umbauen lässt.
Borchert geht davon aus, dass der Einstieg in den Umbau der landwirtschaftlichen Tier- haltung noch in dieser Legis- laturperiode beginnen kann. „Wir haben keine Zeit zu ver- lieren“, sagt er im ProAgrar Interview. Und auch vor der Bundestagswahl in einem Jahr hat Borchert keine Angst, dass andere politische Konstellationen sein Projekt stoppen könnten. „CDU, SPD und Grüne haben mir ihre Unterstützung signalisiert.“ (siehe Interview Seite 2 + 3)
khs
Foto: Oliver Krato
Foto: Daniel Hübler


































































































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