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                                MICHAEL LANDYS „DONATION BOX“ IM MUSEUM OSTWALL IM DORTMUNDER U
Von Dr. Nicole Grothe, Leiterin der Sammlung des Museums Ostwall im Dortmunder U
Die Besucherinnen und Besucher, die derzeit ins Museum Ostwall im Dortmunder U (MO) kommen,
wundern sich: Zwischen knallbunten modernen Gemälden des Expressio- nismus und oft lustigen, aus Alltags- materialien hergestellten Werken der Fluxus-Bewegung steht die Skulptur eines Mönchs. Eine seltsame Mi- schung ... Werden im MO jetzt auch Kirchenskulpturen aus dem Mittel- alter gezeigt?
Bei genauerem Hinsehen fällt ein Schlitz im gläsernen Sockel der Skulp- tur ins Auge, und im Sockel selbst liegen: Münzen! Offenbar werden hier Spenden gesammelt. Also schnell das Portemonnaie gezückt und ein Geldstück eingeworfen! Doch anstatt Genugtuung über die gute Tat erfasst die Spendenden jäh der Schreck: Der Mönch holt aus und schlägt sich mit einem lauten „Klong!“ sein Kruzifix an die Stirn.
Die „Donation Box“ in der aktuellen MO_Sammlungspräsentation „Body & Soul. Denken, Fühlen, Zähneputzen“ stammt nicht aus dem Mittelalter, sondern ist eine Arbeit des britischen Künstlers Michael Landy. Landy
hatte sich 2013 während eines For- schungsaufenthalts in der Londoner National Gallery intensiv mit den dortigen Heiligenbildern beschäftigt. Ihn faszinierte, dass die Heiligen, die Märtyrerinnen und Asketen, deren Geschichten oftmals grausam und blutig sind, bis heute im Christentum wie Held:innen verehrt werden. Für seine Ausstellung „Saints Alive“ ver- arbeitete Landy Ausschnitte der alten Gemälde zu Collagen oder grob-
motorisch-beweglichen Skulpturen – und erweckte die Heiligen so zum Leben.
Bei dem Mönch im Museum Ostwall handelt es sich um den heiligen Franz von Assisi. Aus einer wohlhabenden Familie stammend, gab er sein Leben in Reichtum auf, wurde Wander- prediger und gründete einen Bettel- mönchsorden. Sein Leben in Armut und Demut war auch ein Protest gegen die reiche und mächtige Kir- che, die sich vom Vorbild Jesu Christi, der selbst bescheiden gelebt hatte, immer weiter entfernte. Landy fordert uns auf, es dem Heiligen gleichzu- tun und uns – zumindest symbolisch – ebenfalls von einem Teil unseres Wohlstands zu trennen. Vielleicht steht die Skulptur aber auch für eine moderne Form des Ablasshandels:
Im Christentum herrscht der Glaube vor, dass Menschen für ihre Sünden büßen müssen. Statt uns selbst zu geißeln, bietet uns der Künstler au- genzwinkernd die Möglichkeit, einen Mönch dafür zu bezahlen, dass er sich stellvertretend für uns ein wenig Schmerz zufügt. Schließlich kann man in modernen Dienstleistungsgesell- schaften fast alles kaufen – wenn man das nötige Kleingeld hat.
Michael Landy, geboren 1963, wurde 2001 mit seiner Arbeit „Break Down“ bekannt, für die er seinen gesamten Besitz, inklusive der Kleider, die er am Leib trug, durch eine gigantische Schreddermaschine schickte. In sei- nen Arbeiten beschäftigt er sich oft mit politischen Fragen, z. B. mit dem Konsumverhalten moderner Gesell- schaften oder der Schere zwischen Reich und Arm. Seine Werke sind u. a. in den Sammlungen der Tate (Lon- don), des Centre Pompidou (Paris),
des Rijksmuseum (Amsterdam) oder des Museum of Modern Art (New York) vertreten – und im Museum Ostwall. Die „Donation Box“ ist noch bis zum 13. November 2022 in der aktuellen Sammlungspräsentation des MO „Body & Soul. Denken, Fühlen, Zähneputzen“ zu sehen.
Wussten Sie’s?
Das Museum Ostwall ist das städti- sche Museum für moderne und zeit- genössische Kunst auf den Ebenen 4 und 5 des Dortmunder U. Die rund 7.000 Kunstwerke der MO_Samm- lung, die vom Expressionismus über die Fluxus-Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre bis in die Gegen- wart reicht, „gehören“ also uns
allen. Werke aus dem Sammlungs- bestand werden in (alle zwei bis drei Jahre wechselnden) Ausstellungen präsentiert, die sich mit Themen unseres Alltagslebens befassen. In jedem Sparbau Magazin stellen wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Museum Ostwall im Dortmunder U ein Kunstwerk aus der Sammlung vor. Schauen Sie doch mal vorbei: Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen unter
www.dortmunder-u.de
INNENSTADT-WEST
Museum Ostwall im Dortmunder U Leonie-Reygers-Terrasse 2
44137 Dortmund
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